Rezensionen

    Bildergalerie aus dem  Booklet der aktuelle CD
 
 
   

Dreifach klingende Vielfalt: Klang-Wind-Spiel

:In ausverkaufter Scherzligkirche genossen die Zuhörenden barocke Klangfreuden:Annerös Hulligers 27. Weihnachtskonzert mit festlicher Musik für Trompete, Oboe, Fagott und Orgeln.

Festliche Stimmung, ausverkaufte Kirche, eine Fülle spielerischer Qualitäten: was kann es anderes sein, als das beliebte Weihnachtskonzert zum dritten Adventsonntag, welches von Annerös Hulliger ins Leben gerufen und nun zum 27. Mal, davon zum zweiten Mal in Scherzligen stattfand! Im Quartett, Trio, und Solo spielten der Thuner Trompeter André Schüpbach, Oboist Martin Stöckli, Fagottist Norihito Nishinomura und Annerös Hulliger. Solches Musizieren liess aufhorchen: Alles
erklang in feinsten Details ausgestaltet und differenziert aufeinander abgestimmt. Der Oboist musizierte elegant und präzis, über Allem leuchtete die Trompete, der Fagottist fügte warme, virtuose Passagen bei und die Organistin entzückte mit perlendendem Spiel. Die barocke Werkfolge in italienischer Manier,
wurde elegant und pointiert interpretiert. Festliche Concerti von Francheschini und Albinoni wetteiferten mit den Duos von Spiegler und Prentzel. Die Solisten


 

 
       
   

CD-Besprechung in der Zeitschrift «Musik und Theater» Juni 2012

Annerös Hulliger unterwegs in der Orgellandschaft Graubünden

Annerös Hulligers Spiel lässt immer die Spezialistin für historische Spielweise durchhören, es besticht durch virtuose Frische und knackige Artikulation. Wie wir uns von ihren Produktionen gewöhnt sind, ist auch bei dieser Sammlung alles in einem üppigen Booklet minutiös dokumentiert.

Die schönsten und bedeutendsten historischen Orgeln stehen in der Regel da, wo im entscheidenden Moment kein Geld vorhanden war, sie dem gewandelten Zeitgeist zu opfern, also durch modernere lnstrumente zu ersetzen. Deshalb findet man sie eher selten in städtischen Zentren, viel öfter aber In Rückzugsgebieten. Besonders reich an wertvollen alten Orgeln ist aus diesem Grund auch der Kanton Graubünden, wo sich die Orgelbautraditionen Italiens und des süddeutschen Raums treffen und überlagern.

Annerös Hulliger, seit vielen Jahren auf der Pirsch nach besonders klangschönen historischen Instrumenten in den Schweizer Randgebieten, hat sich für ihre jüngste Anthologie einige besonders schöne Exemplare ausgewählt. Auch zwei neuere, aber historisch inspirierte Orgeln haben Aufnahme in das Album gefunden. Musikalisch geht die Reise vom italienischen Barock mit einigen Ausflügen nach Österreich – das aber in jener Zeit musikalisch eng mit seinem südlichen Nachbarn verbunden war – zu italienisch inspirierten Stücken von J. S. Bach und J. G. Walther.

Annerös Hulligers Spiel lässt immer die Spezialistin für historische Spielweise durchhören, es besticht durch virtuose Frische und knackige Artikulation. Wie wir uns von ihren Produktionen gewöhnt sind, ist auch bei dieser Sammlung alles in einem üppigen Booklet minutiös dokumentiert.

Stephan Thomas
 

 
   

Alte Musik Aktuell Ausgabe März/April 2012

 

 
   

Musik und Liturgie Ausgabe 4 / 2009

Das umfangreiche CD-Projekt (2) «Schweizer Hausorgeln vom 17. bis 20. Jahrhundert" kann ich hier nicht genug loben! Annerös Hulliger dokumentiert auf drei interessanten CDs hier sage und schreibe 21 unterschiedliche Schweizer Hausorgeln und Positive aus Graubünden, dem Emmental, dem Toggenburg und dem Appenzellischen. Auf vielfältigste Art und Weise werden die verschiedenen Instruments an ihren Standorten, von der Kapelle bis zur Bauernstube und vom Museum bis zur Kirche dokumentiert, und mit Musik vom 17. Jahrhundert bis zu den gemässigt modernen Kompositionen Hulligers, von Pachelbel, Kerll, Muffat etc. bis zu Toggenburger Tänzen vorgeführt. Annerös Hulliger erweist sich hierbei stets als sensible Partnerin für die - nicht immer einfach zu handhabenden - historischen Instrumente, wie auch für die beiden neu erbauten Orgelpositive. Farbig und abwechslungsreich registriert und immer feinfühlig artikuliert, macht es Spass, die CDs anzuhören. Auf der dritten CD wirkt neben Annerös Hulliger noch ihre Tochter Regula Hulliger bei vierhändigen Orgelstücken sowie Duetten für zwei Orgel - positiv mit. Das 96(!!!)-seitige ausführliche Beiheft bringt Informationen zu den eingespielten Instrumenten, ihrer Geschichte, den Kompositionen, den Interpretinnen und zum Entstehen der fantastischen Dokumentation, die geradezu einlädt, sich selber auf die Pilgerschaft ins Toggenburg, nach Graubünden oder ins Emmental, zu machen, um diese herrlichen Instrumente zu erkunden. Aber bitte nicht alle auf einmal! Für den Liebhaber der Schweizer Orgelkultur ebenso zu empfehlen wie als Geschenk für Organisten.

Th.Haubrick
 

 
   

Singende Kirche Heft 3, 2008

Schweizerische Hausorgeln. Eine musikalische Reise mit Annerös Hulliger und 21 klingenden Geschichten aus 350-jähriger Tradition.

CD 1:6 Hausorgeln aus städtischen Bürgerhäusern und geistlichen Hauskapellen aus der 2. Hälfte der 17. und dem Begin des 18. Jahrhunderts: Fribourg, Chapelle de I'Hôpital des Bourgeois; Klosters GR, Evangelische Kirche; Praden GR, Evangelische Kirche; Basel, Museum zum Kirschgarten; St. Antonien GR, Evangelische Kirche; Wohlen BE, Kirche.
CD 2: Hausorgeln in Graubünden, aus dem Toggenburg und dem Appenzellischen: Lumbrein GR, Kapella Nossa Dunna Digi Agid; Arosa GR, Bergkirchlein; Arosa GR, Heimatmuseum ,,Egga-Hus"; Cazis GR, Kloster St. Wendelin, St. Wendelinskapelle; Meikirch BE, Privatbesitz; Wildhaus SG, Privatbesitz; Heiden AR, Historisches Museum; Prangins VD, Schweizerisches Landesmuseum.
CD 3: Emmentaler Hausorgeln: Bern, Diakonissenhaus; Bern, Reformierte Gesamtkirchengemeinde: Bollingen BE, Privatbesitz; Rubigen bei Münsingen BE. Kirche Kleinhöchstetten; Münsingen BE, Reformierte Kirche; Trub BE, 3 Orgeln. 3 CDs. DDD. MGB CD 6260.
Die Schweizer Organistin Annerös Hulliger liebt seit ihrer Kindheit diese kleinen verzierten Kästen. die da und dort noch immer zu finden sind und die, wenn man sie öffnet, ihr silbrig glitzerndes Innenleben zeigen. Gerade diese kleinen Hausorgeln sind immer wieder davon bedroht, einfach vergessen zu werden - man kann sie ja irgendwo in einen Dachboden stellen, wenn man sie nicht mehr braucht - und so einfach aus der Orgelwelt zu verschwinden. Auch bei ihr zu Hause gab es einen seltsam verzierten Kasten, in dem allerhand Gegenstände aufbewahrt wurden. Erst später realisierte sie, dass es sich um den Kasten einer Hausorgel handelte.
Frau Hulliger hat es nun auf sich genommen, 21 Schweizer Hausorgeln nachzuspüren und sie auf drei CDs akustisch zu porträtieren. Sie ordnete diesen Gang durch die Musikgeschichte nach Regionen, versuchte auf jeder Orgel die adäquaten Orgelkompositionen zu präsentieren und gab jedem Abschnitt auch noch ein Thema.
Sie beginnt beispielsweise in Fribourg mit "Lob der Herkunft" - hier handelt es sich um Nürnberg als Ausgangspunkt der Orgelreise, weil von hier sowohl der Orgelbauer S. Manderscheidt (1620-1585), als auch die Komponisten J. Staden (1587-1636) und J. Pachelbel (1653-1706) stammen, deren Musik hier gleich auf der historischen Orgel gespielt wird. In Klosters wird unter dem Titel ,,Im Dienste des kaiserlichen Hofes zu Wien" Musik von J. J. Froberger, J. K. Kerll und F. T. Richter interpretiert. Neben zahlreichen bekannteren süddeutschen Komponisten sind die auf den vielen verschiedenen Kleinorgeln dargestellten Werke groäteils echte Raritäten und oft auch eng verbunden mit dem Ort des gespielten Instruments. So sind, ach, viele Schweizer Kleinmeister und Intabulierungen in verschiedene Notenbücher hier zu hören. Es kommen aber auch Komponisten des 20. Jahrhunderts zu Wort, wie Arnold Christen (1875-1960) oder Annerös Hulliger selbst, die auf einer modernen Hausorgel auch eigene Werke interpretiert.
Im dreisprachigen Booklet erfahren wir Geschichtliches zur Schweizer Orgelwelt, bekommen genaue Beschreibungen zu den gespielten Werken und finden auch eine Bilddokumentation der gespielten Instrumente mit Disposition und Geschichte.
Alleine schon das Booklet verrät, mit wieviel Sorgfalt an dieses Projekt herangegangen wurde und wie liebevoll jedes Instrument mit der ihm entsprechenden Musik versehen wurde.
Allen Freunden dieser kleinen musikalischen Schmuckkästchen mit der dazu bestimmten Musik sei diese umfangreiche Sammlung empfohlen.

Herbert Bolterauer
 

   

Ars Organi Heft 4, 2008

Schweizerische Hausorgeln. Eine musikalische Reise mit Annerös Hulliger und 21 klingenden Geschichten aus 350-jähriger Tradition. 3 CDs, Booklet 96 S. (dtsch., engl., frz.) . Zürich, Migros-Genossenschafts-Bund 2008, Verl.-Nr. MGB CD 6260 (Verl.-Adr.: Migros-Genossenschafts-Bund, Direktion Kultur und Soziales, CH-8031 Zürich), Preis 50,00 SFR.

An Hausorgeln aufgenommene Orgelmusik ist die groäe Ausnahme neben den zahlreichen Produktionen an neuen und historischen groäen Orgeln, bei denen die gewichtigen Werke der Orgelliteratur - oft auch wiederholt - eingespielt werden. Für die Auswahl der in Gruppen zusammengefassten, z. T. in Privatbesitz befindlichen Hausorgeln auf den drei CDs der hier vorliegenden Kassette zeichnet die Interpretin Annerös Hulliger verantwortlich. In überzeugender Weise und für die Instrumente passend hat sie sehr bewusst eher selten gespielte Literatur ausgewählt. Sechs Hausorgeln mit 5-6 Registern aus dem 17. und vom Anfang des 18. Jahrhunderts werden auf der ersten CD mit Musik aus dieser Zeit von Pachelbel, Froberger, Krebs und einer Reihe weniger bekannter Zeitgenossen vorgestellt. Die relativ kurzen Stücke werden mit wiederholtem Registerwechsel sehr lebendig und kurzweilig interpretiert, wodurch die Instrumente individuell zur Geltung kommen. Acht Orgeln (3-7 Register) in Graubünden, dem Toggenburg und in Appenzell aus dem 18. Jahrhundert erklingen auf der zweiten CD überwiegend mit volkstümlicher Musik aus der Entstehungszeit der Instrumente, die z.T. weitgehend unbekannten Notensammlungen entnommen ist. Damit wird ganz bewusst auch die nichtsakrale Nutzung und Klangaussage betont. Die sieben Emmentaler Hausorgeln mit 3-6 Registern auf der dritten CD stammen vom Ende des 18. bzw. dem 19. und 20. Jahrhundert. Sie unterscheiden sich hörbar durch einen leicht dunkleren Klang von den zuvor genannten Instrumenten. Auch sie kommen mit einer breiten Auswahl von Kompositionen, darunter von der Interpretin selbst, zum Klingen. Einen besonderen Reiz hat dabei das vierhändige Spiel auf einer Orgel und im Dialog auf zwei Positiven mit Regula Hulliger. Da alle Instrumente in kleinen Räumen stehen, entfallt eine Modifizierung des Klangs durch die Raumakustik. So versteht es sich auch von selbst, dass die Hausorgeln dadurch klanglich ganz unmittelbar zu erleben sind.
Zum besonderen Reiz dieser Aufnahme gehört das leise Klappern der Klaviaturen ebenso wie der Beginn der Ansprache mancher Pfeifen. Hervorzuheben ist das beigelegte Booklet von 96 Seiten (dtsch., engl., frz.), in dem die Interpretin Annerös Hulliger ihre besondere persönliche Beziehung zu diesen Instrumenten beschreibt und auf die gespielte Musik eingeht. Den Abschluss bildet eine Zusammenstellung aller 21 Instrumente mit einer farbigen Abbildung, der Disposition, weiteren technischen Angaben und Hinweisen auf ihre Geschichte, Versetzungen und Restaurierungen. Dafür dürften alle dankbar sein, die sich über die Musik hinaus auch für den Bau dieser kleinen Kunstwerke interessieren. Da die Instrumente im Booklet in der gleichen nummerierten Reihenfolge wie auf den CDs aufgeführt sind, fällt es leicht, sich während des Hörens über das jeweilige Instrument zu informieren. Somit liegt mit diesen gelungenen Aufnahmen an schweizer Hausorgeln eine musikalische Besonderheit vor, die ein Muss für die Liebhaber der kleinen Instrumente ist, aber darüber hinaus wegen der eingängigen, unterhaltsamen Musik und der fabelhaften, den Instrumenten angepassten Spielweise bei vielen Hörern Gefallen finden dürfte.

Wolfram Hackel
 

   

Hausorgeln, Toccata, «Alte Musik Aktuell»

Und nun werdet Ihr sie hören und sehen, all die Orgeln, die mir im vergangenen Sommer ihre Geschichten anvertrauten. Die schmucken Instrumente begleiteten mich als anregende, aber unerbittliche Partnerinnen. Jede dieser Orgeln erfordert einfühlsame und aufmerksame Auseinandersetzung mit der Tonbildung und der Klanggestaltung. So ermöglicht die äusserst sensible Stechermechanik ein Spiel, das gleichermassen zu sprechen und zu singen vermag", schreibt Annerös Hulliger. Die Organistin aus der Schweiz ist genau die Richtige für ,,einfühlsame und aufmerksame Auseinandersetzung" auf der Orgel, oft in der Vergangenheit konnte sie mit genau dieser Eigenschaft punkten und kleine Perlen der Orgelinterpretation vorlegen.
Die Idee an sich ist sowieso bestechend - Orgelmusik auf Hausorgeln! Das sind die kleinen Geschwister der grossen und renommierten Kirchenorgeln, über die man gar nicht nachdenkt. Manchmal wird so eine kleine Orgel noch im Gottesdienst gespielt, Andrea Marco hat zum Beispiel seine drei Hausor¬geln im Dom von Treviso stehen und musiziert auch darauf oder stellt sie zur Verfügung.
Annerös Hulliger (*1947) reiste in der gesamten Schweiz und schlug die ,,6 Hausorgeln aus städtischen Bürgerhäusern und geistlichen Hauskapelle aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts und dem Beginn des 18. Jahrhunderts" in Fribourg (Chapelle de L'Hopital des Bourgois), Klosters (Evang. Kirche), Praden (Evang. Kirche), Basel (Museum zum Kirsch-garten), St. Antonien (Evang. Kirche), Wohlen (Evang. Kirche) bzw. die ..Hausorgeln in Graubünden, aus dem Toggenburg und dem Appenzellischen" in Lumbrein (Kapelle Nossa Dunna Digl Agid), Arosa (Bergkirchlein, Heimatmuseum ,,Egga-Hus"), Cazis (Kloster St. Wendelin, St. Wendelinskapelle), Meikirch (Privatbesitz), Wildhaus (Privatbesitz), Heiden (Historisches Museum), Prangins (Schweizerisches Landesmuseum) und ,,Emmentaler Hausorgeln" in Bern (Diakonissenhaus, Reformierte Gesamtkirchengemeinde), Bolligen (Privat¬besitz), Rubigen bei Münsingen (Kirche Kleinhöchstetten), Münsingen (Reformierte Kirche) und Trub (Kirche). 21 Orgeln sind es geworden, 21 ,,klingende Geschichten aus 350-jahriger Tradition", wie es im Untertitel zur 3-CD-Box so treffend heisst.
Annerös Hulliger, unterstützt von ihrer Tochter Regula Hulliger, einer Cembalistin, die nun doch Orgel studiert, spielt auf diesen kleinen und feinen Instrumenten Werke von Staden, Pachelbel, Froberger, Kerll, Richter, Speth, Thommen, Egli, Schmidlin, Muffat, Steiner, Spiess, Krebs, Bach, Pool, Leopold Mozart, Bodenstein, Just, Christen, Hulliger, Kaesermann, Viguerie, Vanhal, Glutz-Blotzheim, C.P.E. Bach, diverser Anonymi, aus Klosterhandschriften und und und. Schon wegen des Repertoires lohnt sich der Erwerb dieser CD.
Aber die Idee ist so köstlich, darauf muss man auch erst einmal kommen, dass bereits dies ein Kaufgrund ist. Und wenn ich jetzt noch verrate, dass Annerös Hulliger noch immer markant und unverwechselbar die Orgel zu schlagen weiss, dann wäre das eine interessante und abwechslungsreiche CD, die man ruhigen Gewissens erstehen oder verschenken kann.
 

 "Alte Musik Aktuell", Juli / August 2008, Robert Strobl

Schweizerische Hausorgeln. Annerös Hulliger. Migros MGB CD 6260 (3 CD). ® VI-XI/2007 ® ft © 2008.
 

   

Zeitzeugen und ihre Geheimnisse, Der Bund

Die Sammlung «Schweizerische Hausorgeln» lädt ein zu einer Reise durch 350 Jahre Orgelgeschichte

Von geflügelten Orgelschränken und geretteten Klängen erzählen die drei Tonträger, welche die Berner Organistin Annerös Hulliger mit fundiertem Wissen und lustvoller Musizierpraxis vorlegt.

Glühend ist ihre Leidenschaft für Orgeln und grenzenlos ihre Liebe zu den goldenen Klängen aus silbernen Pfeifen: Wenn die Berner Organistin Annerös Hulliger Koffer oder Rucksack packt, hat ihr Reiseziel oft mit Orgeln zu tun. Sie investiert vieles, um immer wieder an neue, unbekannte Instrumente und ihre Geheimnisse heranzukommen. Dabei gilt ihr Interesse nicht nur den Königinnen in öffentlichen Kirchen und Kathedralen, sondern auch den unscheinbaren Orgeltöchtern in privaten und halb öffentlichen Räumen, die dem Musik leben irgend wann abhanden gekommen sind.
Ihnen widmet die Musikerin ihr jüngstes CD-Projekt, den schweizerischen Hausorgeln. 21 Instrumente dokumentiert sie in Wort und Klang und kreiert in vier Stunden Musik, eine persönliche Reise durch 350 Jahre Orgelgeschichte.
Die Anfänge der Hausorgeln reichen bis ins späte 15. Jahrhundert zurück. Damals verbannte der Zürcher Reformator Huldrich Zwingli die Orgeln aus den Kirchen und stellte das orgelbegleitete Singen von Psalmen unter Strafe. Das Verbot führte dazu, dass es sich vom öffentlichen in den privaten Raum verlagerte. Die wohlhabenden Bürger richteten sich in ihren Häusern Orgelpositive ein, geflügelte, oft reich verzierte Accessoires für das private Interieur. Mit dem Aufkommen von Cembali, Spinetten und Hammerclavieren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verloren die Hausorgeln an Bedeutung. Einige wurden verkauft, vergessen oder fanden durch ihre neuen Besitzer zurück in Kirchenräume.

Ausgeweidete Monster
Farbig und kenntnisreich beschreibt Annerös Hulliger die Geschichte der Instrumente, die sie schweizweit aufgespürt hat. Ihre Suche nach den verschollenen Klängen der Hausorgeln habe bereits in ihrer Kindheit begonnen, sagt sie. Sie erinnert sich daran, dass sie im elterlichen Gasthaus Kreuz in Dürrenroth ihre erste Begegnung mit einem dieser «etwas furchterregenden» Schränke machte. Beim Aufstieg zum Theatersaal stand das «ausgeweidete Monster» in einer dunklen, staubigen Ecke des Treppenhauses: ein signiertes, mit Engelsköpfen und Blattwerk verziertes Orgelgehäuse, in dessen Bauch die Silberpfeifen durch hölzerne Tablare ersetzt worden waren, auf denen nun allerlei Vorräte und Spezereien lagerten. Jahre später erst, als Annerös Hulliger sich auf die Suche nach den äberresten dieser kindlichen Erinnerung machte, vernahm sie, dass Anfang des 20. Jahrhunderts – «in einem barbarischen Akt» – aus den Pfeifen eine Marmelbahn gefertigt worden war.
Der «verlorene Klang» dieses malträtierten Instruments spornte sie an, während ihrer regen Reise und Konzerttätigkeit ihren Fokus immer wieder auf die Suche nach Hausorgeln zu richten. Dabei scheute die Emmentalerin keine Strapazen. Sie erzählt von Erkundungsreisen mit schweren Schuhen auf abschüssigen Pfaden zu Bergkirchlein, wo ihr Schutzengel zur Seite gestanden seien. Und Schlüsselbesitzer, ohne deren Wohlwollen ihr der Zugang Pforten, Türen und schliesslich den Instrumenten verschlossen geblieben wäre. Mit dem Aufstöbern der Standorte gab sich Hulliger nicht zufrieden. Sie wollte die Instrumente zum Klingen bringen, mit Musik aus ihrem reichen Repertoire, die zeitlich und stilistisch zu den Instrumenten passt, zum Beispiel selten gespielte Werke aus dem süddeutschen und alpenländischen Raum.

Tastengeklapper und Schnaufen
Entstanden ist ein Lebenswerk. Die umfangreich dokumentierten Orgelporträts bieten Lese- und Hörvergnügen und schärfen die Wahrnehmung für grosse und kleine, selbstbewusste und verklemmte Orgelklänge in ungeahnten Schattierungen. Da gibt es samtige Töne, kristallklare und lärmige, scharfe, wie zum Beispiel jene auf einer Hausorgel im bündnerischen Praden: Die Miniatur aus der Sammelhandschrift des Klosters Müstair wird nicht nur mit einer Ballettmusik des Hoforganisten des Kaisers Matthias von 1600 umspielt - sondern auch mit leisem Tastengeklapper. Es gehört dazu, wie das heftige Schnaufen des Keilbalgs im Unterbau der Hausorgel im Museum zum Kirschgarten in Basel, deren Flügeltüren kunstvoll mit Hinterglasmalerei verziert sind. Auch in Bern und Umgebung ist Annerös Hulliger fündig geworden.
Beschwingt lässt man sich von der überschäumenden Fabulierlust des Komponisten J. M. Spiess (1696–1772) umgarnen, während man gleichzeitig lesend erfährt, wie misslich die temperamentvolle Tastenakrobatik bei den ehrwürdigen Herren zu Bern angekommen sei: Der Komponist, der als Organist am Berner Münster gewirkt hatte, wurde für sein quicklebendiges Orgelspiel von der Obrigkeit heftig gerügt. Er solle die Orgel «ohne Raffinerien ganz einfaltig nach bisshero allhier gewonter art schlagen»,weil er durch seine Virtuosität die Leute derart in Verwirrung stürze, dass sie mit ihrem Gesang nicht fortfahren könnten. Durch ihre sorgfältigen Recherchen gelingt es Hulliger die Orgelschränke «sprechen» zu lassen als authentische Zeugen einer verloren gegangenen Zeit.

(Marianne Mühlemann, Der Bund, Mittwoch, 9. Juli 2008)

 

   

Annerös Hulliger Schweizerische Hausorgeln, Berner Zeitung

Diese CD-Box ist eine Reise und gleichzeitig ein kleines Lexikon: Auf drei CDs belebt Annerös Hulliger schweizerische Hausorgeln aus dem 17. bis 2O.Jahrhundert, die sonst in städtischen Bürgerhäusern, geistlichen Kammern oder Pfarrhäusern nur einem kleinen Kreis zugänglich sind. Die Berner Organistin hat sie aufgespürt und bespielt. Dabei konzentrierte sie sich auf selten gespielte Werke aus dem suddeutschen und alpenländischen Gebiet. Manchmal verspielt, manchmal erhaben oder rau und gelebt klingen sie, die musikalischen "Wandschränke", deren klappernde Tasten und schnaufende Blasebalge man ruhig mithören darf. So sind es immer einzigartig klingende Zeitzeugen, die von Hauskonzerten erzählen, von zwinglianischen Verboten und üppigen Festen. Im umfangreichen Booklet erfährt man mehr über die bewegte Geschichte dieser Orgeln und Werke - und taucht ein in eine musikalische Schatztruhe.

(Maria Künzli, Berner Zeitung, Mai 2008)

 

   

Schweizer Hausorgeln, Rezension aus «Musik und Theater»

Mit der Schweizer Hausorgeltradition, die ihren Höhepunkt im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert hatte, ist die Organistin Annerös Hulliger mehrfach verbunden. Zum einen stammt sie aus dem Emmental, das neben dem Toggenburg das bedeutendste Zentrum der Hausorgelkultur war; zum anderen hat sie sich konzertierend und als rührige Veranstalterin von viel beachteten Orgelreisen einen Namen gemacht. Nun legt sie eine drei CDs starke Anthologie zu diesem Thema vor. Nicht weniger als 21 representative Instrumente hat sie zu diesem Zweck besucht und jedes mit einem kleinen, in sich geschlossenen Rezital bedacht. Der musikalische Bogen reicht von bekannten Meistern der suddeutsch-barocken Orgelschule wie Froberger, Kerll und Pachelbel über die in der Schweiz seinerzeit sehr populären erbaulichen Lieder eines Johannes Schmidlin bis hin zu beschwingten Tänzen aus dem Appenzell. Annerös Hulliger verfügt über das technische Rüstzeug, um die meist ohne Rücksicht auf Normen (z. B. bei den Tastaturmassen) erbauten Instrumente mit der geforderten Präzision zu spielen, aber auch über einen musikantischen Zugriff, der diesen Stücken gut ansteht, dazu ein Differenzierungsvermögen, das keine Langeweile aufkommen lässt. Ein üppiges Booklet mit eingehenden Beschrieben der Instrumente wie der Musik sichert dieser Produktion zudem einen hohen Dokumentationswert.

(Stephan Thomas, Rezension aus «Musik und Theater» 2008)
 

   

In geheimnisvolle Schränke horchen, Radiomagazin

Orgeln stehen nicht nur in Kirchen, sondern von Alters her auch in manchem helvetischen Bürgerhaus. Annerös Hulliger hat den schweizerischen Hausorgeln mit viel Engagement nachgespürt.

«Im Dorfschulhaus stand ein schlicht gezimmerter Schrank», erinnert sich Anneros Hulliger an ihre Kindheit im Emmental. «Dessen geöffnete Türen lenkten den Blick auf silberglänzende Pfeifen, kunstvolle Schnitzereien und eine zierliche Tastatur, der die kleine Kinderhand nicht zu widerstehen vermochte. Das unerlaubte Spiel wurde obrigkeitlich bestraft.» Davon liess sich Hulliger aber nicht abschrecken.

DER REIZ DER KLEINIGKEITEN Die Organistin ist heute landesweit bekannt für ihre Konzerttätigkeit, ihr Engagement für Denkmalinstrumente und ihre Orgelfahrten. Hulliger präsentiert nun eine breit angelegte CD-Dokumentation von schweizerischen Hausorgein und kehrt gewissermassen an ihre Anfänge zurück.
Noch heute hat sie ein Faible für die kleinen Orgeln abseits der Zentren, wo für andere Organisten oft nur die grossen, imposanten Instrumente wirklich zählen. «Vielleicht ist es meine Eigenart, dem Unscheinbaren Raum zu geben, den Kleinigkeiten nachzuspüren, hinzuhorchen auf Zwischentöne, auf den Reichtum der Dialekte.»
Nicht dass Hulliger das Spiel auf einer Kathedralorgel verschmähen würde. Einen besonderen Namen hat sie sich aber mit Orgelfahrten in periphere Gebiete gemacht, wo meist kleine, aber oft historisch bedeutsame Instrumente stehen: Im Oberwallis, in Graubünden, im Jura. Ihre breite Kenntnis der schweizerischen Orgellandschaft war denn auch die unverzichtbare Basis des ambitionierten CD-Projekts.
Dafür hat Hulliger einen nicht unbeträchtlichen Aufwand auf sich genommen; immerhin galt es, 21 Orgeln zu bereisen. Zudem ist das Spiel auf kleinen Instrumenten technisch äusserst anspruchsvoll, und die Umstellung von einer Orgel auf die andere verlangt Flexibilität: «Deutlich engere Tastenmasse als bei modernen Instrumenten erfordern ein äusserst achtsames , bei dem jede überflüssige Bewegung der zu vermeiden ist. Derart kontrolliertes An-Tasten fordert die Aufmerksamkeit des Hin-Hörens und ermöglicht ein Zwiegespräch, wo jedes auf seine Wichtigkeit hin gewogen wird.»

ORGELN ALS SEGELFLIEGER Die Organistin, die ihre Musik gerne und eloquent in Worte kleidet, findet dafür auch gleich ein passendes Bild: «Ob das Spiel an den sogenannt grossen Orgeln mit den Flugkünsten eines Jumbopiloten verglichen werden konnte, im Gegensatz zum Segelflieger, dessen feinstes Handwerk Voraussetzung zur partnerschaftlichen Verbindung mit den spielenden Winden schafft?» Sorgfalt liess Annerös Hulliger nicht nur beim Spiel, sondern auch bei der Dokumentation walten: Im umfangreichen Booklet sind alle Instrumente sowie die eingespielte Musik sorgfaltig beschrieben und kommentiert.
Emmentaler Organistin, Hausor geln - das erinnert auch ein wenig an Jeremias Gotthelf, der das Orgelspiel liebte und häufig beschrieb, etwa beim SchulmeisterPeter Käser und seiner Hausorgel. Weniger Freude hatte Gotthelf an der neu aufkommenden Mode des Klavierspiels: «Selbst die lieben Engelein fliehen das Klavierspiel und werden immer seltener auf Erden.» Würde er heute seine Landsfrau Annerös Hulliger hören, würde er ihr bestimmt attestieren, wieder den einen oder anderen Engelzurück auf die Erde gebracht zu haben.

(Stephan Thomas, Radiomagazin, 2008)

 

   

Hausorgeln erzählen, Neue Zürcher Zeitung

Wer die Organistin Anneros Hulliger schon im Konzert erlebt hat, weiss, wie" lebendig ihre Darbietungen sind. Wenn sie zu den Hausorgeln, auf denen sie spielt, die abenteuerlichsten Geschichten erzahlt, ist das mindestens so spannend, wie wenn sie auf den Instrumenten Tanze, Marsche und Sonaten aus alten Zeiten aufleben lässt. Auch in Hulligers neuster CD-Einspielung, die sich den schweizerischen Hausorgeln vom 17. bis zum 20. Jahrhundert widmet, wird man von der Begeisterungsfähigkeit der Emmentalerin sogleich angesteckt. Das liegt sowohl an ihrem blendenden Spiel als auch an. der ausführlichen und sehr persönlichen Dokumentation, die sie im Booklet gibt. Die 21 vorgestellten Instrumente sind in drei geografisch bestimmte Gruppen zusammengefasst: Hausorgeln aus städtischen Bürgerhäusern, Hausorgeln aus der Ostschweiz und Hausorgeln aus dem Emmental. Auf jeder Orgel spielt Hulliger ein in sich geschlossenes Rezital, das auf deren Bauart, Herkunft oder Verwendung abgestimmt ist. Auf der Hausorgel der evangelischen Kirche in Klosters, die in Konstanz angefertigt wurde, kommt "gelehrte" Musik, wie sie am kaiserlichen Hof in Wien erklang, zur Geltung. Und auf einer Emmentaler Hausorgel aus dem 18. Jahrhundert tragt die Organistin selber komponierte Variationen zum Guggisberger Lied und einen erfrischend schrägen Berner Marsch vor.

Schweizerische Hausorgeln, eine musikalische Reise mit Anneros Hulliger und 21 klingenden Geschichten aus 350-jahriger Tradition. CD I: Hausorgeln aus städtischen Bürgerhäusern und geistlichen Hauskapellen, CD II: Hausorgeln in Graubünden, aus dem Toggenburg und dem Appenzellischen, CD III: Emmentaler Hausorgeln. Musiques Suisses MGB 6260 (3 CD).

(tsr, Neue Zürcher Zeitung, Oktober 2008)